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von Dennis Diel
Einmal beinahe Maschinenbauer, Azubi, Head of Sales, dreimal neu erfunden
Moers, der Geruch frisch gebrühten Kaffees liegt in der Luft des Konferenzraums der Eliware Handelsgesellschaft, als Fabrizio Fadda – 31 Jahre, Kurzhaarfrisur, sportliche Statur, feste aber jugendliche Stimme – ansetzt, seine Geschichte zu erzählen. „Ich bin Kind sardischer Einwanderer, zweite Generation“, sagt er und lächelt breit, als der Firmenchef Erik Schreurs kurz um die Ecke lugt und nach dem rechten schaut. Heimat? „Der Niederrhein. Ich bin ein Moerser Jung“, sagt Fadda.
Abitur 2014 an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule, Notendurchschnitt „irgendwas mit Zwei“, Leistungskurse Mathematik und Kunst. In der letzten LK-Kunst-Klausur konstruiert Fadda ein mechanisches Malgerät, mit dem auch Menschen mit Handicap freihändig Bilder pinseln können. Eine XY-Achse, ein hoch- und runterfahrbarer Pinsel. Die Behindertenwerkstatt will das Ding kaufen, er schenkt es, fühlt sich gesehen. Der Kunstlehrer raunt etwas von „Bachelorarbeit-Niveau“.
Die lange Reise durchs Studium
In Bochum immatrikuliert er sich für Maschinenbau. „Weil Zahlen und Ästhetik da zusammenkommen.“ Nach zwei Semestern ist die Romantik verpufft, die Vorlesungen öde. Also Wechsel zu angewandter Informatik, vier Semester bis zur Erkenntnis: Zwischen „Code tippen lernen“ und „wirklich programmieren können“ klafft der Grand Canyon.
Neustart im Warenstrom
2018, die Welt des Online-Handels boomt und ganze Berufsfelder, die vorher kein Mensch kannte, werden zum Sehnsuchtsjob tausender Abiturienten. Aus der Vielzahl neuer Berufe taucht auch der frisch geschaffene Ausbildungsberuf des Kaufmanns im E-Commerce auf. „Kaufen, verkaufen – das fand ich schon immer aufregend“, sagt Fabrizio. Er verschickt eine Handvoll Bewerbungen, Favorit ist das damals noch recht frische Eliware in Moers. Einstellungstest, Allgemeinwissen, Kopfrechnen. Hinterher flachst er: „Mathe war easy, Geografie schwierig.“ Abends der Rückruf mit Feedback zum Test: Mathe komplett verhauen – Job trotzdem sicher.
Ein Monat später kündigt seine Ausbilderin, zurück bleiben zwei Azubis, die den Webshop, den Kundendienst und die Retouren logistisch wuppen müssen. „Learning by panic“, erinnert sich Fadda.
Als Covid-19 2020 den Betrieb lahmlegt, verwandelt sich Eliware neben des Vertriebs von Workwear zu einem der gefragtesten Masken-Händler des Landes. Eigenentwickelte FFP2-Masken, geprüft in Deutschland. Irgendwer in Berlin bestellt eine Charge für das Kanzleramt – Monate später tauchen Fotos von Olaf Scholz mit genau diesen schwarzen FFP2 Masken auf. „Das war crazy, den Kanzler mit einer Eliware-Maske zu sehen“, sagt Fadda. Und ergänzt: „Die Pandemie hat uns noch ein Stück weiter im B2B-Bereich gebracht und in Bezug auf PSA durch den plötzlich starken Need an Overalls, Masken, Schutzbrillen und Gesichtsschilden, Desinfektionsmitteln usw.“ Und nach dem Wahnsinn, den uns Corona beschert hatte, wird aus Eliware nach und nach einer der größten Workwear-Händler am Niederrhein.
Aufstieg zum Verhandlungschef
Kollegen attestieren Fadda ein „Radar fürs Machbare“ – und ein Talent, Preise so lange zu verhandeln, bis beide Seiten lächeln. Bereits ein paar Jahre nach der Übernahme ernennt ihn die Geschäftsführung zum Head of Sales. Er steht auf Leitmessen, baut ein fünfköpfiges Sales-Team auf und freut sich über den PUMA Workwear Distributionsdeal, der Eliware endgültig in den Olymp der stylischen und funktionablen Arbeitskleidung hievt.
Eines Tages schreit ein Großabnehmer durchs Telefon, droht mit Klage. Der Firmenchef dreht sich zu Fadda: „Umarm ihn – egal wie sehr er irrt.“ Fadda atmet tief durch, bleibt ruhig, löst das Problem. „Seitdem weiß ich: Nicht ausrasten, umarmen.“
Fabrizio wirkt, als habe er nach all den Schleifen endlich seine Linie gefunden. Inzwischen geht man bei Eliware auch im Online-Marketing all-in. Fadda ist „Mister Workwear“ bei TikTok. Das Aushängeschild der Firma und schlussendlich der Eliware Head of Sales.
